Samstag, 1. November 2008
How to sell in hell
Donnerstag, 11 Uhr. Die Sonne brennt, meine Kollegin und ich steigen in eine Rikscha. Es soll auf Kundenbesuch gehen. Die Sonne glüht durch die Plastikplane die jede Rikscha abdeckt. Nach einer fahrzeit von gut dreissig minuten in sengender Hitze und eingezogenem Kopf (wir Europäer sind grundsätzlich zu groß für eine Rikscha, weswegen unsere Körperhaltung nach einer langen Riskschafahrt immer eine wenig der eines Aasgeiers gleicht) gerät unsere Rikscha zwischen zwei Lkw, die uns abrupt zum stehen bringen, die seitenspiegel kosten und mir die Kniescheibe zertrümmert, da meine Beine zu lang und meine Knie zu hoch für dieses Gefährt sind. Wir verlassen schleunigst die Gefahrenzone und bemerken dabei, dass wir dreissig Minuten im Carre gefahren sind, uns unweit unseres Augangspunktes befinden. In Momenten wie diesen geht der Fahrer leer aus. In unserem Falle zahlt er sogar doppelt drauf.

Anschliessend stehen wir geschlagene 20 min in der mitte der Kreuzung in der Hoffnung ein Taxi zu erhaschen. Liegt unser Ziel in der gleichen Richtung in die der Taxifahrer will, ist er unter umständen geneigt, uns mitzunehmen. Andernfalls lässt er dich einfach stehen. Mitten auf der Kreuzung. In sengender Sonne. Von Abgasen umgeben. Hier ist der Fahrgast auf keinen Fall König. Obwohl; dieses Verhalten kennen wir auch in Köln. Da heisst auch ganz oft, Anschnallen, Fluppe aus, Fresse halten.

Kurz bevor meine Schuhsohlen eins wurden mit dem Asphalt, erbarmte sich dann doch endlich eine Rikscha, mit der es dann eine weitere dreiviertel Stunde in der Mittagshitze über den Expressway ging – eine geschwitzte Ewigkeit. Der Mittagsverkehr umhüllte uns mit stinkenden abgasen aus allen Öffnungen. Mitten auf der Autobahn hiess es dann umsteigen in ein Taxi ohne Klima-anlage – Rikschas sind in der „Südstadt“ nicht erlaubt. Wir quälten uns weiter vorwärts.Der Mittagstermin war mittlerweile auf Nachmittag verschoben, mein Blutzuckerspiegel bereits ins bodenlose gesackt – meine Stimmung dementsprechend. Meine Zuckersturzbedingten kalten Schweissausbrüche hatte ich in der Hitze nicht bemerkt. Meine steigende innere Aggressivität dem ständigen Gehupte unseres Fahrers zugeschireben. Zum Glück hatte wir noch schnell was gegessen, bevor wir zu unserem Termin irrten Das Gebäude glich eher einem Rohbau denn einem Bürokomplex. Bauarbeiter lungerten herum, gaben kluge Ratschläge, während einer am arbeiten war. Andere hielten gerade im dreck liegend Mittagsschlaf. Ständig lief man gefahr an etwas hängen zu bleiben, sich die Haxen zu brechen, oder durch ein offen liegendes Starkstromkabel direkt ins Nirvana befördert zu werden. Im Keller des Rohbaus fand die Odyssee dann ihr Ende. Im Büro herrschte der Frühjahrsputz, denn Dewali stand an. Doch dazu komme ich später. Jedenfalls bekamen wir kaum einen Fuss vor den anderen, das Büro des Chefs wurde kurz schnell hergerichtet, dh die Sachen beiseite geschoben und schon konnte es ans eingemachte gehen.

Für den zweiten Termin fuhren wir dann … in den Nordosten Mumbais. Also die ganze Höllenfahrt noch mal, mit, Taxi, Rikscha Taxi, Rikscha. Inzwischen konnte ich im Wet Blue Shirt Contest auftreten. Durch die halb offenen Scheiben wurden uns die Abgase ins Gesicht geblasen. Bei geschlossenen Scheiben wären wir andererseits an Sauerstoffarmut erstickt. Als ich mir den Schweiss von der Stirn wischte, hielt ich das Ergebnis eines arbeitsamen Tages schwarz auf weiss in der Hand. Die Ausbeute aller Abgase, Feinstäube, Staubpartikel hatten sich mittlerweile auf meiner Haut zur Ruhe gesetzt. Nach zwei Stunden weiterer Irrfahrten waren wir am Ziel, der Kunde begrüßte uns barfüssig im funkelnagelneuen Büroequipment (Dewali!!!) das aber gerade noch ausgepackt wurde. Nach dem Termin brauchten wir dann nur noch 2,5 Stunden bis ich endlich im Hotel eine Dusche nehmen konnte. So dreckig war ich seit meinen Kindheitstagen auf diveresen Spielplätzen nicht mehr.

Fazit: Für zwei Aussentermine in Mumbai waren wir 9 Stunden untewegs, wobei wir 2 Std. davon beim Kunden selbst sassen. Da soll noch mal einer kommen und kritisieren, dass der Verkauf in Indien bzw. Mumbai immer so schleppend vorankommt. Verkaufen ist lebensgefährlich, gesundheitsschädigend, zeitfressend und nervenaufreibend. Ich verstehe langsam, warum Indien das Land der Call Center geworden ist.

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